- Wann werden welche Zeitformen in der Dissertation angewandt?
- Das historische Präsens – Ein Sonderfall
- Literatur
Beim Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten gibt es viele Stolpersteine, eine der größten Hürden für viele Promovierende sind die Zeitformen. Präsens, Perfekt, Präteritum – was ist richtig?
In folgendem Beitrag soll die Frage nach der richtigen Anwendung der Zeitformen in der Dissertation beantwortet werden. Denn die verschiedenen Teile einer wissenschaftlichen Arbeit verlangen teilweise nach unterschiedlichen Tempusformen. Nach der Lektüre dieses Artikels sollte der Weg durch den Dschungel der deutschen Zeitformen aber leichter sein.
Wann werden welche Zeitformen in der Dissertation angewandt?
Im Deutschen gibt es sechs Zeitformen mit denen man Ereignisse in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausdrückt (Vgl. Schulgrammatische Übung der Universität Leipzig). Theoretisch werden alle Zeitformen in der Dissertation gebraucht. Dabei ist es ganz gleich in welcher Fachrichtung. Zumeist werden schließlich vergangene Ereignisse und Abläufe beschrieben, gegenwärtige Forschungsstände erläutert und überleitende Formulierungen getroffen.
Präsens
Die wichtigste Zeitform in Dissertationen und anderen wissenschaftlichen Arbeiten ist das Präsens, also die Gegenwartsform. Bei der Dissertation handelt es sich um ein Schriftstück, das sich mit einem Forschungsthema beschäftigt. Zudem präsentiert es Thesen, Ergebnisse und Untersuchungen, die nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sind. Sie sind von überzeitlicher Gültigkeit (Vgl. Hirsch-Weber/Scherer 2016: 101).
Aus diesem Grund sind wissenschaftliche Arbeiten grundsätzlich im Präsens verfasst. Besonders das generelle Präsens wird beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten benötigt. In Abstract und Einleitung werden allgemeine Fakten, das Thema und die Fragestellung der Dissertation beschrieben:
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Farbenlehre Goethes.
Ziel der Arbeit ist es, die Farbenlehre Goethes als Meilenstein in der Erkenntnis von Farbe herauszustellen.
Auch im Material- und Methodenteil kommt das Präsens zum Einsatz, um das Untersuchungsgebiet, den Forschungsstand, Methoden und Verfahrensweisen zu beschreiben. Auch im Theorie- und Praxisteil der Dissertation wird es benötigt, wenn Sachverhalte zusammengefasst, Definitionen formuliert oder fremdes Gedankengut wiedergegeben werden:
Die Farbenlehre Goethes wird als Meilenstein in der Erkenntnis von Farben verstanden.
Selbst, wenn die Verwendung des Präsens als Zeitform in der Dissertation eigentlich logisch inkorrekt ist, wird es verwendet. Das geschieht nichtsdestotrotz auch aufgrund der besseren Leserlichkeit das Präsens (Vgl. Pospiech 2017: 120).
Zuletzt verlangen auch Fazit, Zusammenfassung und Diskussion nach dem Präsens. Hier werden gewonnene Erkenntnisse interpretiert, Untersuchungsergebnisse zusammengefasst oder bestimmte Aspekte kritisch beleuchtet. Oftmals werden Nebensätze mit „dass“ eingeleitet und enden auf die Formulierung einer Tatsache (Die Untersuchung zeigt, dass …, Es lässt sich festhalten, dass … usw.).
Präteritum
In der Dissertation kann man grundsätzlich das Präsens verwenden. Bei der Wiedergabe zeitlicher Abfolgen sind aber oft auch Vergangenheitsformen gefragt. So wird das Präteritum für in der Vergangenheit liegende, aber inzwischen abgeschlossene Ereignisse genutzt:
An der Untersuchung nahmen 200 Probanden teil. (Auch das Perfekt ist hier nicht falsch: An der Untersuchung haben 200 Probanden teilgenommen.)
Am 27. März 1784 entdeckte Johann Wolfgang von Goethe den Zwischenkieferknochen.
Perfekt
Auch mit der Vergangenheitsform des Perfekts werden abgeschlossene Ereignisse der Vergangenheit ausgedrückt. Dabei ersetzt das Perfekt oft das Präteritum oder sogar das Futur II. Vor allem im mündlichen Sprachgebrauch heißt es dann:
Am 27. März 1784 hat Johann Wolfgang von Goethe den Zwischenkieferknochen entdeckt.
Das Perfekt ist für wissenschaftliche Arbeiten zu umgangssprachlich, außerdem besteht bei der Bildung Verwechslungsgefahr mit Präsens- und Präteritumformen. Nichtsdestotrotz können mit dem resultativen Perfekt abgeschlossene Ereignisse gekennzeichnet werden, die bis in die heutige Zeit hineinwirken. So kann das Perfekt als Zeitform in der Dissertation historische Hintergründe darstellen (Vgl. Balzert, Schäfer, Schröder, Kern 2008: 245):
In den „goldenen Zwanzigern“ hat auch in der Literatur ein Umbruch stattgefunden. Die Jahrhundertwende hat viele wichtige literarische Werke von Thomas Mann, Hermann Hesse oder Franz Kafka hervorgebracht. Mit anderen Worten: Ab Mitte der 1920er Jahre hat die deutsche Literatur eine Blütezeit erlebt.
Plusquamperfekt
Das Plusquamperfekt sollte man am seltensten gebrauchen. Auch wenn es im mündlichen Sprachgebrauch oft Anwendung findet, ist es im schriftlichen Gebrauch sperrig. Zudem hemmt es den Lesefluss und damit das Verständnis eines Textes. Es wird jedoch erforderlich, wenn in einer Beschreibung vergangener Ereignisse eine weitere Vorzeitigkeit vorliegt:
Schneider hatte gerade seine Untersuchung publiziert, da führte Schulze einen neuen Aspekt in die Diskussion ein.
Ein Indiz für den Gebrauch dieser Zeitform in der Dissertation ist die Konjunktion „nachdem“. Lässt sich in den Satz „nachdem“ einfügen muss das Plusquamperfekt folgen:
Nachdem Schneider seine Untersuchung publiziert hatte, führte Schulz einen neuen Aspekt in die Diskussion ein.
Futur I
Auch der Gebrauch des Futur I als Zeitform in Dissertationen ist selten. Im Deutschen verwendet man stattdessen häufig als Präsens, um zukünftige Ereignisse anzukündigen. Ein alltägliches Beispiel zeigt, dass es dabei vor allem um sprachökonomische Aspekte geht:
Nächstes Jahr werde ich mir einen Hund kaufen. (Futur I)
Nächstes Jahr kaufe ich mir einen Hund. (Präsens)
Gleiches gilt für wissenschaftliche Arbeiten, wobei beide Zeitformen richtig sind. So kann es heißen:
Im Folgenden werde ich den Begriff des Literarischen Fräuleinwunders beschreiben.
Genauso gut aber auch:
Im Folgenden beschreibe ich den Begriff des Literarischen Fräuleinwunders.
Eine weitere Möglichkeit:
Im Folgenden wird der Begriff des Literarischen Fräuleinwunders beschrieben.
Das historische Präsens – Ein Sonderfall
Eine weitere gebräuchliche Zeitform in Dissertationen ist das historische Präsens. Mit Hilfe des historischen Präsens (auch narratives Präsens genannt) kann man dem Leser in der Vergangenheit liegende (geschichtliche) Ereignisse in einem erzählerischen Ton vermitteln. Dabei entsteht eine Unmittelbarkeit, durch welche sich der Leser besser in die Geschichte hineinversetzen kann:
Auf einer seiner Italienreisen missfällt Goethe das chaotische Verständnis der Künstler von der Farbenlehre. Er beschließt, dem entgegenzuwirken. Im Jahr 1810 veröffentlicht Goethe sein Buch „Zur Farbenlehre“, welches alle Farben als Grenzphänomene zwischen Licht und Finsternis definiert.
Grundsätzlich ist die erzählende Darstellung jedoch nichts für wissenschaftliche Arbeiten. Sie verleiht Sachtexten einen unangemessenen, erzählenden Stil und damit eine populärwissenschaftliche Note (Vgl. Leitfaden der Technischen Universität Dresden).
Die häufigsten Zeitformen in Dissertationen sind Präsens und Präteritum. Diese sind die Gegenwarts- und Vergangenheitsformen, mit denen man einerseits gegenwärtige Erkenntnisse, den Forschungsstand und die Methodik erläutert. Andererseits schildert man damit zeitliche Abfolgen und in der Vergangenheit liegende Ereignisse. So gibt es im Grunde nicht viel falsch zu machen, da man sich bereits instinktiv auf die richtige Zeitform beruft. Letztendlich muss man also nur darauf achten, sich an das jeweilige Tempus zu halten. Dies ist für die Richtigkeit, aber auch für das Verständnis und die Leserlichkeit der wissenschaftlichen Arbeit wichtig.
Literatur
Balzert, Helmut, Schäfer, Christian, Schröder, Marion, Kern, Uwe (2008): Wissenschaftliches Arbeiten. Wissenschaft, Quellen, Artefakte, Organisation, Präsentation, Herdecke und Witten.
Pospiech, Ulrike (2017): Wie schreibt man wissenschaftliche Arbeiten? Von der Themenfindung bis zur Abgabe, Berlin.
Hirsch-Weber, Andres, Scherer, Stefan (2016): Wissenschaftliches Schreiben und Abschlussarbeit in Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften, Grundlagen – Praxisbeispiele – Übungen, Stuttgart.
Weiterführende Literatur:
Duden (2009): Die Grammatik: Unentbehrlich für richtiges Deutsch, Band 4, Berlin.
Eroms, Hans-Werner (2014): Stil und Stilistik. Eine Einführung, Berlin.
Kessel, Katja, Reimann, Sandra (2010): Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache: Eine Einführung, Stuttgart.