- Wissenschaftliches Schreiberin der Dissertation: Wenn weniger mehr ist
- Einen wissenschaftlichen Schreibstil für die Dissertation finden – Regeln und Hinweise
- Literatur
Was den wissenschaftlichen Schreibstil in Dissertation angeht, gilt: „Formuliere so verständlich wie möglich, so wissenschaftlich wie nötig!“ So bringt es die TU Chemnitz auf den Punkt. Doch ist es einfacher gesagt, als getan: Wie formuliert man komplexe wissenschaftliche Sachverhalte verständlich? Was gibt es im Besonderen zu beachten? Welche stilistischen Fehler kann man machen – und wie kann man sie vermeiden?
Der folgende Artikel beschäftigt sich mit eben diesen Fragen. Zudem benennt er typische stilistische Fehler beim Schreiben einer Dissertation und gibt konkrete Hinweise, wie diese zu umgehen sind. Dieser Beitrag ist eine Art Leitfaden während des Verfassens der Promotion. So kann man klassische Fehler vermeiden oder aber im Nachhinein stilistische Schnitzer ausmerzen.
Wissenschaftlicher Schreibstil in der Dissertation: Wenn weniger mehr ist
Der sich wohl am hartnäckigsten haltende Glaube ist, dass wissenschaftliche Texte hochtrabend, unleserlich und schwer verständlich geschrieben sein müssen. Nur dann würden sie das Prädikat „wertvoll“ verdienen. Dabei ist es die eigentliche Kunst des wissenschaftlichen Schreibens, einfache Sachverhalte nicht kompliziert auszudrücken. Im Gegenteil, es ist schwierig, komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen.
Was einen guten Stil ausmacht, liegt oft im Auge des Betrachters. Doch in der Dissertation, kommt es auf Genauigkeit, Verständlichkeit und den ästhetischen Anspruch der Leserschaft an. Aus diesem Grund kann man durchaus so einige Fehler machen (Vgl. Schreibportal der Universität Leipzig).
Die meisten stilistischen Fehler schleichen sich auf struktureller Ebene ein und betreffen den Satzbau (Vgl. Oehlrich 2015: 162 ff.). Dahingehen sind auf inhaltlicher Ebene einzelne Formulierungen und Wörter betroffen. Oft ist es das Vorhaben, sich besonders gewählt und belesen auszudrücken, welches typische Fehler verursacht. Die Folge ist eine überkomplexe Grammatik. Aber auch lange, verschachtelte Sätze, unübersichtliche Wortstellung, falsche Kommasetzung entstehen. Typisch ist auch ein vermehrter Nominal- oder Adjektivstil, exzessiver Fremdwortgebrauch, Phrasen, Floskeln oder Funktionswörter.
Letztendlich hat man damit das Gegenteil erreicht: Die Dissertation ist unverständlich, unübersichtlich und unleserlich. Für den Leser entsteht dann mitunter der Eindruck, der Autor habe keinen roten Faden. Damit wird die Dissertation schwer nachvollziehbar und schlecht lesbar. Die Devise ist daher auch für wissenschaftliche Arbeiten: Weniger ist mehr. Wie schon der Schriftsteller John Steinbeck sagte: „Wenn einem Autor der Atem ausgeht, werden die Sätze nicht kürzer, sondern länger.“
Einen wissenschaftlichen Schreibstil für die Dissertation finden – Regeln und Hinweise
Zu wissen, dass sich in den wissenschaftlichen Schreibstil inhaltliche sowie strukturelle stilistische Fehler einschleichen können, ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist es, diese zu kennen und im dritten Schritt auszulöschen oder bestenfalls von Vornherein zu vermeiden.
Nüchterne, distanzierte und sachliche Sprache
Die wichtigste Regel für das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten ist eine nüchterne, distanzierte und sachliche Sprache. Sowohl gedanklich als auch sprachlich muss sich der Autor von anderen wissenschaftlichen Texten, auf die die Dissertation verweist, distanzieren. Aus diesem Grund sollten auf Floskeln, Redewendungen oder Sprichwörter verzichtet werden.
Außerdem gilt es vorsichtig mit Verallgemeinerungen und Übertreibungen (extrem, immens, riesig usw.) umzugehen. Das gleiche gilt auch für affirmative Füllwörtern (natürlich, selbstredend, auf jeden Fall usw.). Oft handelt es sich um unzulässige Generalisierungen, unnötige Adjektive oder Aussagen, die für den Leser nicht „natürlich“ oder „selbstverständlich“ sind. Solche Formulierungen sollten überdacht und in der Regel letztendlich weggelassen werden.
Bedachte Fremdwörter
Die Verwendung von Fremdwörtern ist für viele Menschen ein Zeichen von Intelligenz, Belesenheit und Fachwissen. In wissenschaftlichen Arbeiten kann man sich aber schnell verrennen und – wenn diese falsch verwendet oder geschrieben werden – lächerlich machen. Daher gilt: Fremdwörter nur dann nutzen, wenn diese im Kontext notwendig und sinnvoll sind. Dazu gehören auf dem Fachgebiet allgemein übliche Fachtermini. Man kann sie oftmals nicht ersetzen und braucht sie, um bestimmten Aussagen zusätzliche Klarheit, Präzision und Verständlichkeit zu verschaffen. Alle anderen Fremdwörter sollten gut bedacht sein und im gesamten Text nachvollziehbar erklärt und ohne Abweichungen verwendet werden. Gleiches gilt für Anglizismen und Modewörter. Auf diese kann man in der Regel jedoch gänzlich verzichten, wenn diese durch adäquatere deutsche Wörter ersetzt werden können.
Nominal-, Verbal- und Adjektivstil
Für die Lesbarkeit und das Verständnis einer Dissertation sollte man Nominal-, Verbal- und Adjektivstil vermeiden. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass man zu viele Substantivierungen, Verben und Adjektiven weglassen sollte. Besonders die Aneinanderreihung von Substantiven verkompliziert Texte und macht diese schwer leserlich und unverständlich. Das beste (neagtiv-)Beispiel dafür sind Texte aus juristischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Kontexten wie der nachfolgende:
„Die Klarstellung des Gesetzes betont seit dem 01. September 2009 die Möglichkeit zur Willensäußerung für den Fall der Einwilligungsfähigkeit durch eine Patientenverfügung.“ (Vgl. Schreibportal der Universität Leipzig)
Doch auch die ausschließliche Verwendung von Verben sollte vermieden werden, da der wissenschaftliche Schreibstil so wenig wissenschaftlich formuliert wirkt. Zuletzt sollten Adjektive, die zur Steigerung und Wertung verwendet werden, auch nur sparsam eingesetzt werden. Besonders Tautologien müssen überprüft werden. „Weißer Schimmel“ ist ein existenter Begriff. „Heftige Naturkatastrophe“, „dynamischer Wandel“ oder „weltweite Globalisierung“ sind hingegen unnötige Doppelungen oder schlichtweg Unsinn (Vgl. Kornmeier 2016: 215 ff.).
Wortwahl
Bei der Wortwahl gilt es im Besonderen auf Formulierungen zu achten, die es im Deutschen eigentlich nicht gibt. Die gängigsten Beispiele sind zum Beispiel englische Lehnübersetzungen („to make sense“ – „es macht Sinn“). Aber auch unzulässige Superlative wie „einzigster“ oder die doppelte Verwendung der Vergleichspartikel „als wie“ kommen häufig vor. Ist man sich unsicher hilft ein schneller Blick in den Duden.
Viele wissenschaftliche Texte warten mit „Wortmonstern“ auf. Das heißt, dass zusammengesetzte Wörter oftmals den Lesefluss hemmen, da sie unverständlich und inhaltlich nichtssagend sind. Einige, sehr anschauliche Beispiele finden sich im Leitfaden der Universität Mainz: Inaugenscheinnahme, Produkthaftungsrichtlinie, Energieanlagenzahlbetrag oder Gewerbesteuerhebesatz.
Worthülsen, aber auch Neologismen und doppelte Verneinungen gehören nicht unbedingt zu einem korrekten wissenschaftlichen Schreibstil in Dissertationen. Derartige Ausdrücke sind in der Regel unnütz, schwammig und irreführend. Gerade doppelte Verneinungen wie „nicht unerheblich“ sind überflüssig, stattdessen sollte sich der Autor trauen zu sagen, dass etwas erheblich ist.
Gendern: ja oder nein?
Wie man soziale Geschlechter und Geschlechtsidentitäten sprachlich darstellt, ist eine große Streitfrage – nicht nur in den Sprachwissenschaften. Die Vielzahl an Möglichkeiten macht es nicht einfacher: Heißt es StudentInnen, Student*innen, Student_innen, Studentinnen und Studenten oder nur noch Studierende?
Viele der Schreibweisen sind unleserlich und hemmen außerdem den Schreibfluss des Promovierenden. Oft gibt es die Fachrichtung, in der man seine Dissertation schreibt, bereits vor. Dennoch sollte man sich vorher informieren, welchen Ausdruck Institut, Fakultät bzw. Universität oder aber Doktorvater oder -mutter vorziehen.
Erzählperspektive
Zum wissenschaftlichen Schreibstil gehört auch die Wahl der Erzählperspektive. In wissenschaftlichen Arbeiten sollte man auf die „Ich-Perspektive“ verzichten, um zu persönliche Aussagen zu umgehen. Formulierungen wie „Meiner Ansicht nach“, „Wie ich finde“ oder „Ich bin der Auffassung“ vermitteln außerdem den Eindruck von Unsicherheit. „Daraus folgt“, „Es wird erkennbar“ oder „Zusammenfassend lässt sich sagen“ sind ähnliche, aber konkretere Wendungen.
Allerdings ist es in der Einleitung erlaubt, die Vorgehensweise, Methodik oder Themenwahl aus der Ich-Perspektive heraus zu erklären. Meistens klingt aber ein Satz wie „Der zweite Teil widmet sich der empirischen Vorgehensweise dieser Arbeit“ halbwegs elegant. Im Vergleich dazu klingt „Im zweiten Teil der Arbeit gehe ich auf die empirische Vorgehensweise dieser Arbeit ein“ etwas unbeholfener.
Am Leser orientieren
Letztendlich können einige dieser Hinweise über Bord geworfen werden, sollte die Leserschaft der Dissertation einen bestimmten wissenschaftlichen Schreibstil erwarten. Ist dies der Fall, sollte man darauf achten, nicht „eklektisch“ zu schreiben. Das heißt, dass man keine schlechte Imitation des Stils fabrizieren sollte.
Grundsätzlich aber gilt, anschaulich, griffig und „knackig“ zu schreiben. Dazu gehören treffende Bezeichnungen, Schlagwörter oder mitunter auch Fremdwörter, aussagekräftige Überschriften und zusammenfassende Ein- und Überleitungen. Damit nimmt man den Leser an die Hand, sorgt für Verständlichkeit, Lesbarkeit und den roten Faden des Textes (Vgl. Plümper 2012: 127).
Auch beim wissenschaftlichen Schreiben gilt: Übung macht den Meister! Der wissenschaftliche Schreibstil in der Dissertation will gelernt sein, weshalb man nicht umhinkommt, das Geschriebene wieder und wieder zu lesen. Ohne erneutes Umdenken und das nachträgliche Feilen an Sätzen oder einzelnen Wörtern kommt kein guter wissenschaftlicher Stil zu Stande. Irgendwann sieht man den Wald vor Bäumen nicht mehr. Jetzt kann es hilfreich sein, die Dissertation zum Korrekturlesen in die Hände von Freunden zu geben. Idealerweise sind sie nicht vom Fach. Auf diese Weise lässt sich am besten überprüfen, ob der wissenschaftliche Text verständlich ist. Zudem sehen sie, ob er trotzdem noch so wissenschaftlich wie nötig ist.
Literatur
Kornmeier, Martin (2016): Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht für Bachelor, Master und Dissertation, Bern.
Oehlrich, Marcus (2015): Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben, Schritt für Schritt zur Bachelor- und Masterthesis in den Wirtschaftswissenschaften, Berlin, Heidelberg.
Plümper, Thomas (2012): Effizient schreiben: Leitfaden zum Verfassen von Qualifizierungsarbeiten und wissenschaftlichen Texten, München.
Weiterführende Literatur:
Becker, Howard S. (2000): Die Kunst des professionellen Schreibens. Ein Leitfaden für die Geistes- und Sozialwissenschaften, Frankfurt/Main.
Pyerin, Brigitte (2001): Kreatives wissenschaftliches Schreiben – Tipps und Tricks gegen Schreibblockaden, Weinheim/München.
Vollmer, Hans-Ulrich (2008): Die Doktorarbeit schreiben, Sternenfels.
von Werder, Lutz (1998): Kreatives Schreiben von Diplom- und Doktorarbeiten, Berlin/Milow.